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ZeitzeugInnen von Pina Bausch

 

Kannst Du Pina Bausch beschreiben?

»Pina Bausch war immer schwarz gekleidet. Sie hatte lange glatte Haare und immer ein trauriges Gesicht. Ich habe sie nie lächeln sehen – vielleicht einmal nach zehn Minuten Beifall huschte etwas wie ein Lächeln über ihr Gesicht.

Sehr introvertiert, sehr versunken, etwas Bescheidenes, Zurückhaltendes, in sich Gekehrtes. Blass, immer blass, kein Mensch der Sonne sucht. Das ist so ein Kontrast zu ihren Stücken, die sehr lebendig und sinnlich sind. Sie verkörpert eher etwas Tieftrauriges, Schweigsames. Ruhig und sehr zurückgenommen, sich nicht in der Vordergrund spielend, etwas Karges. Sie lächelt eher in sich hinein und freut sich, dass Andere sich freuen. Ich stelle sie mir vor als jemanden, mit dem man gerne in einem Raum ist. Jemand, der nicht soviel Platz einnimmt, sondern sich eher zurücknimmt und trotzdem ganz genau zusieht. Jemand, dem nichts verborgen bleibt. Natürlich auch streng mit sich und streng mit Anderen. Unglaublich fokussiert auf ihre Arbeit. Ein angenehmer Mensch mit dem man gut schweigen kann.« (Christoph Freyer)


»Pina Bausch war – zumindest zu dem Zeitpunkt als ich sie getroffen habe – eine sehr ruhige Frau. Wenn sie mit uns gesprochen hat, gab es Momente, in denen sie ein Mikrophon benutzt hat, weil sie zu leise war. Sie war immer sehr geduldig, aber immer auch sehr klar in den Dingen, die sie gesagt hat. Wenn es um das Stück [Kontakthof mit Teenagern ab 14, 2008] ging, hat sie immer ganz klare Anweisungen gegeben, was sie haben möchte. Sie hat ganz viel Neugierde für die Leute mitgebracht. Ich weiß nicht, ob sie wirklich so eine besondere Aura hatte, wie ich sie empfunden habe, denn zu dem Zeitpunkt war es wirklich immer so, dass gesagt wurde: „Oh, jetzt kommt Pina!“ – und dann waren alle aufgeregt.

Ich habe sie auch als eine sehr fragile Persönlichkeit erlebt. Ich hatte immer das Gefühl, sie würde nicht essen, wenn ihr keiner etwas zu essen hinstellen würde. Nicht, weil sie so aussieht oder weil sie das nicht will, sondern weil ich gesehen habe, dass sie immer jemanden hatte, der ihr ein Butterbrot hingestellt hat. Man hat gemerkt, dass sie einfach die ganze Zeit arbeitet. Sie war immer mit ihrem Kopf bei dem Stück. Sie war, glaube ich, eine sehr fokussierte Frau, sehr interessiert und neugierig auf alles.

Und: Sie hatte immer eine Zigarette in der Hand. Pina Bausch hat immer geraucht. Ich habe wenige Fotos gesehen auf denen sie keine Zigarette in der Hand hat. Es war wirklich so, sie hat permanent geraucht.« (Jan Möllmer)


»Sie war sehr still. Ich habe sie in den ganzen zehn Jahren kein einziges Mal laut werden hören. Auch wenn ich aus ihren Bemerkungen erkannt habe, dass sie sehr unzufrieden war, hat sie nie die Form verloren. Sie ist immer freundlich geblieben. Das Grundvertrauen war immer wichtiger als eine momentane Störung. Sie war immer ruhig und konzentriert. Und immer wahnsinnig neugierig auf alles. Sie hatte oft ihr kleines Radio an und hat nebenher Nachrichten gehört. Und sie war sehr offen. Sie hatte erst einmal die totale Offenheit für alles. Was ja auch Einfluss auf die Arbeit hatte. Das haben auch die Tänzer gespürt, dass man wirklich alles machen konnte. Es gab nie Vorurteile und die Sachen waren immer erst einmal wie sie waren und dann hat sie geguckt, was das jetzt für sie bedeutete. Sie hat eher wenig gesprochen. Sie hat auch gerne gelacht, aber nie zu viel. Sie hatte oft auch etwas Verschmitztes. Sie hat Ruhe, Konzentration und Offenheit ausgestrahlt.« (Robert Sturm)


»Sie hatte wunderschöne blaue Augen. Ich denke, sie waren blau, ich kann es nicht genau sagen. Aber sie hatte sehr schöne, helle Augen. Sie war groß und schlank. Sie hatte eine sehr spezielle Art zu gehen mit ihren großen Füßen. Es war immer schwer zu wissen, wo sie gerade in ihren Gedanken war. Ob es ein guter Moment war, eine Frage zu stellen. Sie war nicht mysteriös, aber sie war auch niemand, den man einfach so ansprechen konnte. Manchmal schon, aber es gab viele Momente, in denen sie in Gedanken versunken war, im nächsten Stück. Dann musste man warten.

Es gab andere Momente, in denen sie viel gelacht hat. Es war immer eine Mischung. Sie konnte auch sehr, sehr ernst sein. Bei Stückentwicklungen war es oft so, dass man etwas machte und guckte, ob sie das mag und man merkte, dass sie es eigentlich gar nicht mag. Man hat oft an sich gezweifelt. Sie hat so viel von sich selbst verlangt, dass es manchmal schwer war neben ihr mit seinen kleinen Bedürfnissen. Die Arbeit war unser Zusammensein. Viele Stunden. Wir Tänzer haben sehr viel Zeit investiert und mit ihr verbracht.« (Bénédicte Billiet)

Witnesses of Pina Bausch

 

Can you describe Pina Bausch?

“Pina Bausch was always dressed in black. She had long straight hair. Her face was always sad. I have rarely seen her smile – maybe once after ten minutes applause something like a smile crossed her face. Very introverted, lost in thought, somehow modest, restrained, inward looking. Pale, always very pale, she was not a person who seeks the sun. This is such a contrast to her pieces, which are very vibrant and sensual. She embodies rather something deeply sad and taciturn. Silent and very withdrawn, not the most comfortable in the foreground, something almost sparse. She rather smiles to herself and seems pleased that others are happy. I imagine her as someone with whom you would like to be in a room. Someone who does not take up much space, but rather holds back while watching carefully. Someone, whom nothing is hidden. Certainly she was strict with herself and strict with others. Incredibly focused on their work. A kind person with whom one can keep silent.” (Christof Freyer)


“Pina Bausch was – at least at the time when I met her – a very quiet woman. When she talked to us, there were moments when she used a microphone because she spoke so softly. She was always very patient, but at the same time very clear with the things that she said. During the working process [Kontakthof with teenagers aged 14, 2008], she was always very clear with instructions on what she wants. She had a lot of curiosity for the people. I do not know if she really had such a particular aura, as I felt it, because at the time it was always been announced like: ‘Oh, today comes Pina’ – and then all of us became very excited. I’ve experienced her as a very fragile personality. I always had the feeling that she would not eat, if not someone brings her something to eat. Not because she looked like that, or because she didn’t want to eat, but because I saw that there was always someone who brought her a sandwich. It was obvious, that she was working all the time. She was continuously with her thoughts on the piece. I think she was a very focused woman, very interested and curious about everything.  She always had a cigarette in her hand. Pina Bausch always smoked. I have seen only a few photos where she doesn’t have a cigarette in her hand. She really smoked constantly.” ( Jan Möllmer)


“She was very quiet. In ten years I have not once experienced that she raised her voice. Even though I have noticed from their comments, that she was very unhappy, she never lost her countenance. She always remained friendly. The basic trust was more important than a temporary disturbance. She was always calm, focused and extremely curious about everything. While working she often had her little radio running and listened to the news. She was very open. She had first of all a complete openness for everything, what naturally had an impact on the work. Also the dancers felt that you really could do anything. There was never any prejudice and first of all things were as they were and then she thought about what it meant to her. She didn’t speak much. She also liked to laugh, but never too much. She was also often somewhat mischievous. She had an aura of calmness, concentration and openness.“ (Robert Sturm)


“She had beautiful blue eyes. I think they were blue, I cannot say exactly. But she had very beautiful, bright eyes. She was tall and slender. She had a very special way to walk with her big feet. It was always difficult to know where she was with her thoughts at that moment. Whether it was a good moment to ask a question. She was not mysterious, but she was also someone who cannot be easily addressed. There were many moments she was lost in thought, in the next piece. Then you had to wait.

There were other moments when she was laughing a lot. It was always a mixture. She could also be very, very serious. During rehearsal, it was often the case that you did something, being very sensitive if she would like it and then you would notice that she didn’t really like it. You often doubted yourself. She asked so much of herself, that it was sometimes hard beside her with one’s small needs. The work was our time together. Many hours. We dancers invested a lot of time that we spent with her.” (Bénédicte Billiet)